Der Broiler

Leda wollte sich einen Schwan kaufen, einen richtig lebendigen, der auch noch singen konnte. Da sie in einer Großstadt wohnt, wandte sie sich an eine zoologische Handlung und fragte dort nach dem 
Gewünschten. Nein, Schwäne gebe es schon ewig nicht mehr. Überhaupt gehe jetzt der Trend mehr zu Zierfischen und kleinen Singvögeln. Wenn sie in dieser Richtung Interesse hätte usw. Aber Leda ließ sich ihren Schwan nicht ausreden und so verwies man sie mit Bedauern an die nächste Fachhandlung für Wild und Geflügel. Nein, Schwäne überhaupt nicht. Höchstens Gänse, aber keine wilden. Nein, gut gemästete und bitte nur vor Weihnachten. Jetzt hätte man ein recht gutes Sortiment an Enten und Broilern auf Lager. Natürlich gerupft und ausge-
nommen und selbstverständlich tiefgefroren. Damit drückte man ihr einen Klotz Fleisch in die Hand, in Plaste verpackt, auf der geschrieben stand: 1A-Broiler. Entsetzt starrte Leda auf diesen Fleischklotz. Die Kälte drang durch ihre Handflächen und kroch die Arme herauf bis an ihr Herz. Ihre Gedanken verkrampften sich. Leda und der Broiler. Was hätte Lohengrin mit einem Broiler angefangen. Broilersee. Der Broiler von Tuonela. Flogen einst drei wilde 
Broiler. Nun sei bedankt, mein lieber Broiler. Es gibt keinen Schwan mehr für mich, dachte sie traurig.

 

 

Unterschrift von Walter Lauche